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08.10.2024

Vali Werner-Tutschku: „Auf Abfahrten von 6.000 Metern wird jeder Fehler bestraft“

„Sariri“ ist die Dokumentation eines großen Abenteuers in den Anden. Vali Werner-Tutschku und seine Freunde vom Mountain Tribe haben dort aber nicht nur Gipfel in extremen Höhen befahren, sondern die lokale Bevölkerung in ihre Erkundungen stark mit einbezogen, wie er uns im Interview erzählt.

Wie ist die Idee zu „Sariri“ entstanden und wer die treibende Kraft dahinter?

Vali Werner-Tutschku: Ich war im Jahr davor in den Regionen Huaraz in Peru und La Paz in Bolivien unterwegs. Dort habe ich das unheimliche Potenzial der Berge gesehen, wo noch wenige oder gar keine Leute jemals Skifahren waren. Und so ist mir die Idee gekommen: „He, ich mag nochmals dorthin zurück, aber mit Ski. Und dann machen wir etwas Cooles draus.“ Die Idee war, ein paar Steilwände zu fahren, die ich fotografiert hatte. Gesagt, getan: Konzept geschrieben, gepitcht, Finanzierung abgeschlossen – und es ging los. Auch wenn es schon relativ spät war, bis wir uns selbst das finale Go gegeben haben. Ich war also die treibende Kraft hinter dem Projekt. Die anderen haben mir sehr stark vertraut, weil sie zuvor nie in dem Land waren und keine persönlichen Eindrücke hatten.

Welche Vorbereitungen musstet ihr für die Höhe und die Bedingungen treffen?

Nachdem ich vergangenes Jahr auch schon auf dem einen oder anderen Berg über 6.000 Metern war, habe ich gewusst, dass wir einen starken Fokus aufs richtige Akklimatisieren setzen müssen. Ich habe mich dazu auch extra eingelesen. Anders würde das nicht funktionieren, was wir machen.

Wie ist das konkret abgelaufen?

Wir sind auf dem Flughafen von La Paz auf 4.100 Metern angekommen und hatten dort eine super Basis zum Akklimatisieren, ohne in die Berge gehen zu müssen. Nach fünf, sechs Tagen in der Stadt haben wir angefangen, Akklimatisations-Touren zu machen. Das waren Tageswanderungen ohne Ski auf 5.000 bis 5.500 Meter – einen Tag eine Tour, tags darauf Pause, und das insgesamt dreimal. Wir haben gemerkt, wir steigern uns von Mal zu Mal und sind immer besser akklimatisiert. Also haben wir entschieden, dass wir mit Ski den ersten 6.000er besteigen. Die Akklimatisation war mir extrem wichtig – da waren wir uns im Team auch ein wenig uneinig, weil die Frage aufkam, ob wir die dritte Tour wirklich noch brauchen. Ich habe aber darauf bestanden, weil wir genug Zeit hatten und uns damit selbst einen Gefallen taten.

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Was waren die gefährlichsten Situationen während des Drehs?

Grundsätzlich war es schon nicht ohne, vier Leute plus Guide von A nach B zu bringen. Teils in der Nacht, über riesige Gletscherfelder, Abbrüche, Séracs (Türme aus Gletschereis, Anm. d. Red.) – und das oft, ohne viel zu sehen. Aber das waren nicht die gefährlichsten Situationen. Sondern die eine oder andere Kletterei am Tocllaraju (6.034 Meter, Peru), wo wir uns abseilen mussten und dann angeseilt an Séracs in Richtung Gipfel vorbeigeklettert sind. Es war zwar alles kalkuliertes Risiko, aber die Grundsituation war recht angespannt. Denn dort holt dich nicht die Bergrettung ab. Wenn du Glück hast, kommen drei Tage später mal ein paar Kollegen vorbei und retten dich.

Und bei den Abfahrten?

Downhill-technisch war auf jeden Fall die Abfahrt vom Chachacomani am gefährlichsten. Es war die Erstbefahrung dieses 6.074 Meter hohen Bergs mit einer Steigung von an die 60 Grad. Dort war es nicht angenehm runterzufahren. Auch die Schneeverhältnisse waren nicht super. In der Höhe und auf dieser Abfahrt wird jeder einzige Fehler sofort bestraft. Wenn man den Film sieht, weiß man, wovon ich rede.

Wie habt ihr den Kontakt zu den Locals hergestellt?

In Peru war es recht einfach, weil der Opa von Martin Kogler vor 20 Jahren auch in der Region war. Sein damals junger Hochträger Christian ist heute Bergführer und war jetzt unser Guide. Christian war Anfang der 2000er auch einmal in Fieberbrunn, hat dort den Ski-Anwärter gemacht und dann in Bolivien den Bergführer. Christian hat uns wiederum Sergio empfohlen, der einer von fünf Guides in Bolivien ist, die Skifahren können. Er leitet auch die „Bergrettung“, die aus fünf oder sechs anderen Guides besteht. Das kann man natürlich nicht mit der Organisation der Bergrettung in Österreich und anderen Alpenländern vergleichen…

Was nimmst du aus diesem Mega-Projekt für dich persönlich mit?

Es war einzigartig und viel größer, viel aufwendiger, als was wir die letzten Jahre gemacht haben. Aber ohne die jahrelangen persönlichen Erfahrungen in den Bergen wäre dieses Projekt nicht möglich gewesen. Wir haben uns Top-Level vorgenommen und am Ende auch durchgezogen. Ich bin mega-happy, weil ich das richtig gern gemacht habe: 6.000er-Steilwände mit Ski zu befahren, und das in einer anderen Kultur und bei anderen Leuten. Und ich mag die Menschen und die Kultur dort wirklich sehr gern. All diese Erinnerungen mit meinen Freunden nun auch auf Film zu haben, ist natürlich sehr schön. Das können wir uns in 30 Jahren immer noch anschauen. Und den Film jetzt im Herbst der Welt zu zeigen, ist einfach die Belohnung für das, was wir an Arbeit reingesteckt haben. Und das ist gewaltig!

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