Richard Buchner: „Pessimistisch? Nein, es ist realistisch!“
„Projection“ ist eine ebenso dystopische wie actionreiche Entdeckungsreise in eine Welt verlassener Skigebiete und aufgegebener Infrastruktur. Während ihre No-Budget-Produktion die Vergangenheit und vielleicht auch die Zukunft des Wintersports beschreibt, überzeugen Regisseur und Produzent Richard Buchner und Protagonist Vincent Devens im folgenden Interview mit glasklaren Ansagen: „Früher oder später werden alle Skigebiete schließen.“
Richard, Vincent, „Projection“ beschäftigt sich mit dem Thema Klimawandel und Wintersport. Welche Verantwortung trägt jede:r einzelne von uns Freerider:innen?
Richard Buchner: Stop not the things you’re passionate about but change the way you do it. Jeder sollte seine eigene Position in einer globalen Krisensituation wiederkennen und seine Reisen durchdacht, nachhaltig und regional planen.
Können wir es moralisch noch vertreten, herumzureisen und die feinsten Lines zu shredden?
Richard: Moral ist vor allem ein stark subjektives Konstrukt. Daher können und wollen wir nicht für die Masse entscheiden, was moralisch vertretbar ist. Niemandem soll seine Passion oder Liebe zum Wintersport aberkannt werden. Außerdem ist kein Mensch perfekt. Folgt also eurer Leidenschaft und zieht in Betracht, dass alle einen positiven Beitrag zu ihrem Klima-Fußabdruck leisten können und müssen.
Ist das auch die Message, die ihr den Zuschauer:innen mit dem Film mitgeben wollt?
Vincent Devens: Zu entscheiden, welche Message unsere Produktion genau sendet, liegt eigentlich bei den Zuschauer:innen selbst. Der Film ist eingebettet zwischen dem Narrativ des Intros, das bereits aus unserer dystopischen Zukunft stammt, und einem Statement am Ende, das die zunehmende Unausweichlichkeit dieser Perspektive verdeutlicht. Wir haben zunächst überlegt, ob das nicht pessimistisch ist, und sind zu dem Schluss gekommen: Nein, es ist realistisch. Wir können und müssen den Zuschauer:innen diesen resoluten Tonfall zumuten.
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Wie seid ihr an das Projekt herangegangen?
Vincent: Anders als bei unseren vorherigen Filmen stand diesmal von Anfang ein Konzept dahinter, das über einen Season-Recap hinausging. Wir verbinden auch zum ersten Mal verschiedene Genres beziehungsweise Styles.
Urban Skiing, Backcountry, Big Mountain …
Vincent: Genau. „Projection“ ist aber auch eine dokumentarische Lost Places Exploration, ein actionreicher Skimovie und eine Arthouse-Produktion.
Richard: Einerseits hat die Idee schon lange in unseren Köpfen herumgespukt und sich währenddessen auch weiterentwickelt, sodass wir davon überzeugt waren, dass die Zeit reif war. Andererseits waren wir ja unterwegs in einem im Vorhinein begrenzten Zeitfenster, von einem zum nächsten Spot, und hatten gar keine Wahl, als das Beste aus dem zu machen, was wir vorgefunden haben – denn zurückzukommen, war keine Option.
Was hat euch bei der Arbeit besonders motiviert?
Richard: Was uns sicher gepusht hat, war Folgendes: Wir haben irgendwann gemerkt, dass es unsere Freude am Skifahren selbst beeinträchtigt, ständig das Kamera-Equipment dabeizuhaben und gerade die besten Lines an den besten Tagen festhalten zu wollen. Deshalb haben wir uns vergangene Season vorgenommen, nur im vorgesehenen Zeitfenster zu filmen, und den Rest der Saison zu genießen! Das war eine super Entscheidung, die uns definitiv dazu motiviert hat, während des Drehs wirklich auch alles zu geben.
Was ist eure wichtigste persönliche Erfahrung oder Erkenntnis, die ihr durch diesen Film gewonnen habt?
Vincent: Das Beste aus dem zu machen, was man vorfindet. Der extreme Schneemangel hat uns natürlich vor Probleme gestellt – und war dann doch thematisch total passend. Und wir haben auch mal wieder gemerkt, dass wir uns gegenseitig richtig gut ausstehen können! Wer hätte gedacht, dass es so viel Spaß machen kann, zwei Wochen auf engstem Raum miteinander zu verbringen …
Wer „Projection“ sieht, wird die Zukunft sicher nachdenklicher beobachten. Aus eurer Sicht: Wie wird sich die Wintersportindustrie in den kommenden Jahren entwickeln? Gibt es auch einen positiven Ausblick, ein positives Fazit?
Richard: Generell ist der Wintersport kein nachhaltiger Sport und wird es auch nie werden. Ein positiver Ausblick ist nur möglich, wenn sinnvolle, durchdachte und nachhaltige Lösung von Politik und Wirtschaft konzipiert und umgesetzt werden.
Vincent: Wir haben dermaßen schlechte Bedingungen selbst in Höhenlagen über 2.500 Metern erlebt und uns deshalb mit den individuellen Gründen für die Schließung von Skigebieten beschäftigt. Wir glauben mittlerweile: Aufgrund ökonomischer Unsicherheiten werden früher oder später alle Skigebiete schließen. Doch das Skifahren an sich wird damit – noch – nicht aussterben. Solange es irgendwo in manchen Jahren noch Schnee geben wird, wird das Ski-Mountaineering weiterleben und den Massentourismus überdauern. Der Gedanke, dass diese ursprüngliche Form des Sports das letzte Wort haben wird, stimmt uns irgendwie versöhnlich.
Richard: Mich stimmt auch der Gedanke versöhnlich, dass diese ursprüngliche Form des Sports im Sinne von „earn your turn“ bestehen bleiben wird und viele Leute eine entschleunigte Version dieses Sports genauso genießen wie wir unseren Trip.
Richard Buchner: www.instagram.com/richard_buchner/ / richardbuchner.cc
Vincent Devens: www.instagram.com/vincentdevens/
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