Hinter Innsbruck beginnt die Wildnis
Das Karwendel ist ein Naturschutzgebiet, das sich bis hinauf nach Bayern zieht. Seinen Anfang nimmt die Wildnis da, wo Innsbrucks letzte Lifte enden. Und dort beginnt auch das mystische Freeride-Märchen „Gerwentil“, das Splitboarder Victor Heim und die Film-Twins Christoph und Philipp Kaar beim Freeride Filmfestival erstmals auf die große Leinwand bringen.
Let’s talk about Innsbruck
“Gerwentil” ist der alte Name des Karwendels, der in der gleichnamigen TwinThing-Film und FarFrom-Produktion nicht nur atemberaubend schöne Kulisse ist, sondern auch eine gewichtige Rolle einnimmt. Im Talk zu unserem #offpisteonair-Podcast sprechen die drei Tiroler darüber, …
… wie es bei Victor Heims erster eigener Produktion zur ungewöhnlichen Zusammenarbeit mit den Kaar-Zwillingen kam:
Victor Heim (VH): Die Twins kenne ich schon ewig, früher haben wir uns öfters auf Partys getroffen. Sie kommen aber eher aus dem Freestyle-Bereich und waren immer im Park anzutreffen – wo man mich wiederum eher selten gesehen hat. Das Grundgerüst meiner Idee für den Film war einfach: Ich wollte in meinem Heimatgebirge, dem Karwendel, splitboarden. Ich wollte schönes Snowboarden und schöne Landschaften zeigen.
… woher die Idee zum sprechenden Baum am Ahornboden stammt:
Christoph Kaar (CK): Wir haben gedacht, es braucht eine zusätzliche Ebene, um die Geschichte zu erzählen. Irgendwann hat einer von uns gesagt: Warum lassen wir nicht einfach den Baum reden und ihn die Geschichte erzählen und den Jungs beim Snowboarden zuschauen? Das war der entscheidende Funke..
… was die Philosophie hinter dem ungewöhnlichen Stil von „Gerwentil“ ist:
Philipp Kaar (PK): Wir wollten von Anfang an keinen klassischen Freeride-Film machen.
CK: Der Film soll sich anfühlen wie ein kleines Märchen, wie eine Geschichte, die dir früher deine Mama oder deine Oma vorgelesen hat. Das löst nämlich etwas in dir aus.
… wie sich das Campieren in der freien Natur angefühlt hat:
CK: Es war eine riesige Challenge und auf jeden Fall etwas ganz Neues für uns – und deshalb wollten wir es ja auch machen.
PK: Das war der Reiz, den das Projekt ausgemacht hat.
CK: Wir haben gesagt: Wenn wir es machen, dann machen wir es g‘scheit: Latschen wir also irgendwo hin, wo sonst kein Mensch ist, dann kriegen wir auch die Shots, die wir wollen.
PK: Wenn du aufstehst und irgendwo am Berg bist, komplett allein und du den Sonnenaufgang anschauen kannst, dann macht das alle Mühen wett.
… ob es moralisch vertretbar ist, in die Welt seltener Pflanzen und Tiere einzudringen:
CK: Wir haben drauf geachtet, dass wir uns da drinnen so unbemerkt wie möglich aufhalten und fortbewegen. Aber natürlich dringst du in ihren Lebensraum ein. Es ist ein Balanceakt zwischen: “Mache ich das, weil es in meinem eigenen Interesse ist, weil ich etwas zeigen will, was noch keiner davor gesehen hat, und achte ich auch darauf, dass ich dabei niemanden störe?” Das ist ein schwieriger Punkt, wenn du bei Expeditionen oder beim Freeriden in Bereiche vordringst, wo vor dir noch niemand war.
VH: Du hinterlässt automatisch deinen Fußabdruck in der Landschaft. Aber dass du alles so zurücklässt, wie du es vorgefunden hast und keinen Müll zurücklässt, das sollte sowieso klar sein.
… ob „Gerwentil“ noch mehr Leute in den wilden Raum des Karwendel locken könnte:
VH: Die Leute werden immer an neue Orte gehen und das Abenteuer suchen wollen. Hinter Innsbruck geht die Wildnis los, da musst du dich aber erst einmal hineintrauen.
PK: Ja, das ist nix, wo du einfach so schnell, schnell hingehen kannst.
VH: Du musst dir genau überlegen, mit wem du am Weg bist. Und du musst immer einen Plan B haben. Es muss so viel zusammenpassen bis zu diesem einen Moment, wo du von oben nach unten fährst. Und wenn du das alles auch noch mit Kameras einfangen möchtest, wird es noch komplexer.
PK: Wir wollen das Gebiet mit diesem Film nicht bewerben. Im Herbst ist es sowieso schon überlaufen, aber im Winter sollten nicht so viele Leute im Karwendel sein.
… was wir mit Handys am Berg machen sollten:
CK: Das Kastl in den Händen ist im Alltag nicht mehr wegzudenken – und auch nicht am Berg, du willst diese schönen Momente festhalten. Aber vielleicht sollten wir das Handy gerade deshalb nicht immer herausnehmen und versuchen, das, was man sieht, in Erinnerung zu behalten und nicht alles immer festhalten zu wollen.
Das volle Interview mit Victor Heim (der Dude mit der roten Kappe), Chris (beige Kappe) und Phil Kaar (blaue Haube) seht ihr hier:
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