„Der Berg hat uns erlaubt, mit ihm zu tanzen“
Paul de Groot und sein Kollege Loïc Isliker haben in den Dents du Midi, der massiven Bergkette im Schweizer Wallis, eine ganz besondere Line für sich erobert: „La Forteresse“, die Festung. Im Interview erzählt uns der niederländische Skifahrer, was die speziellen Herausforderungen waren, warum man manchmal ein bisschen Glück braucht und warum wir nachdenken sollten, unser Verhalten ein bisschen zu ändern.
Was war eure Motivation, „La Forteresse“ zu produzieren?
Wir wollten auf den Dents du Midi den nächsten Schritt gehen. Im Jahr zuvor hatten wir bereits einen Film in dieser Bergkette gedreht und das hat sich sehr gut angefühlt. Dabei haben wir eine weitere Line entdeckt, die man theoretisch fahren könnte. Allerdings eine, die sehr schwer einzuschätzen ist: Es gibt keinen Winkel, von dem aus man die ganze Linie sehen kann – was sie zu einer Art Rätsel macht. Bis zum Schluss haben wir in der Vorbereitung darüber diskutiert, ob es überhaupt möglich ist, unsere Idee umzusetzen.
Was waren die größten Herausforderungen im Vorfeld, um überhaupt an das Couloir La Forteresse (zu Deutsch: die Festung) heranzukommen?
Nun, eigentlich stand die ganze Mission im vergangenen Winter gar nicht wirklich zur Debatte. Der Schneefall im Lauf der Saison erlaubte es nicht, nordseitig steile Lines zu fahren. Es herrschte immer wieder starker Wind und somit fehlte einfach eine gute Basis. Doch ein unerwartet starker Schneefall Anfang April änderte alles. Die Lawinengefahr war ursprünglich sehr hoch gewesen, aber eine rasche Erwärmung sorgte dafür, dass sich die Schneedecke sehr schnell setzte. Vor Ort gab es plötzlich eine perfekte Mischung von Ereignissen, die es möglich machten, diese Linie zu fahren. Wir hatten großes Glück.
HIER GIBT ES TICKETS FÜR DAS FFF 2022
Was hat euch an diesem Couloir so fasziniert? Und wie war es, als ihr die Piste tatsächlich befahren habt?
Es gibt zwei weitere offensichtliche Couloirs, die für die meisten Leute immer noch verrückt aussehen, die aber möglich zu sein scheinen. Das waren die beiden, die wir im Jahr zuvor gefahren sind. Diese „La Forteresse“-Line ist sehr schwer zu sehen und deshalb schwer vorstellbar – und das fühlte sich einfach wie eine große Herausforderung an. Außerdem hat dieses Couloirs potenziell viel härtere Konsequenzen als alles, was wir bisher gefahren sind. Das Gefühl, dass es keinen Spielraum für Fehler gibt, hat die Abfahrt zu einer sehr intensiven Erfahrung gemacht. Wir waren sehr erleichtert, als wir den sicheren Punkt erreicht hatten.
Wie groß war euer Respekt?
Im Grunde waren wir in einer „Wenn du stürzt, wirst du sterben“-Situation. Der Respekt war deshalb sehr groß. Aber nach dieser Linie hatten wir das Gefühl, dass der Berg uns wirklich erlaubt hat, mit ihm zu tanzen. Wir sind sehr glücklich darüber, wie sich das alles entwickelt hat.
Ihr seid mit E-Bikes vom Tal auf den Berg gefahren – warum?
Wir denken, dass es sehr wichtig ist, darüber nachzudenken, wie wir unser Verhalten ändern können und versuchen, neue Wege mit weniger Auswirkungen zu finden. Wir möchten die Leute mit diesem Film inspirieren und zeigen, dass es möglich ist, mit minimalen Emissionen viel Spaß zu haben und spannende Dinge zu tun. Wir wollen nicht zu pedantisch sein, sondern nur einen Weg aufzeigen, was möglich ist.
Ähnliche Artikel
27.10.2022
„Wir müssen uns immer wieder intensiv mit dem Thema Risiko auseinandersetzen“
Unabhängig voneinander wurden Elias Elhardt und Xavier de Le Rue Zeugen tragischer Lawinenunglücke. Gemeinsam arbeiten die beiden Snowboard-Profis ihre Empfindungen in der Produktion „Invisible Ground“ auf. Elias Elhardt erzählt im... Mehr21.10.2022
„Der Film schafft einen Raum, der erkundet werden will wie ein Berg“
Die Schweizer Splitboarder Levi Luggen und Gregor Betschon erstaunen uns mit einem vielschichtigen Kunstwerk. „Gale“ ist mehr als ein Freeride-Film: Das audiovisuelle Abenteuer schafft neue Räume und soll die Phantasie ebenso anregen... Mehr14.10.2022
„Erstaunlich, wie ähnlich Leidenschaften sein können – tausende Kilometer entfernt“
Eigentlich wollte Regisseur und Kameramann André Costa in Luzhba, einem Dorf in den Bergen, nur einen außergewöhnlichen Abenteuerfilm in Sibiriens perfektem Powder produzieren. Dann hat sich die Weltpolitik in seine Pläne eingemischt... Mehr