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14.10.2022

„Erstaunlich, wie ähnlich Leidenschaften sein können – tausende Kilometer entfernt“

Eigentlich wollte Regisseur und Kameramann André Costa in Luzhba, einem Dorf in den Bergen, nur einen außergewöhnlichen Abenteuerfilm in Sibiriens perfektem Powder produzieren. Dann hat sich die Weltpolitik in seine Pläne eingemischt und „Luzhba“ in einen brisanten Streifen über den Krieg und zerstörte Träume verwandelt – der trotzdem auf unterhaltsame Art zeigt, dass Menschen in unterschiedlichen Kulturen eigentlich gar nicht so verschieden sind.

Andreas Jenewein, sending in Sibiria

Wie kommt man auf die Idee, zum Freeriden nach Sibirien zu reisen?

Prinzipiell ist es so: Wenn du Anfang November bei minus 15 Grad den besten Powder deines Lebens fahren willst, bist du in Sibirien absolut richtig. Die Anfangsidee war deshalb auch, einfach diesen großartigen Powder zu shredden. Gleichzeitig wollten wir Anton Lementuev kennenlernen und ihn bei seiner Arbeit als Aktivist bei Besuchen in nahegelegenen Kohleminen begleiten. Als wir in Luzhba angekommen sind, ist mir im ersten Gespräch mit Anton klar geworden, dass dies nicht möglich wäre: Würden wir unangemeldet filmen, könnte das schlimme Konsequenzen haben. Dieses Risiko war es uns nicht wert und ich musste mich schnell für eine neue Richtung der Geschichte entscheiden.

„Luzhba“ könnte ein ganz „normaler“ Abenteuerfilm sein – wenn da nicht die weltpolitische Entwicklung des vergangenen Jahres wäre. Wie schwierig war es, auf aktuelle Ereignisse, also Russlands Krieg in der Ukraine, einzugehen?

Auf aktuelle Ereignisse einzugehen, war nicht leicht. Nachdem Russland den Krieg in der Ukraine begonnen hatte, wollten weder Anton noch sein Kollege Grigory Mintsev öffentlich darüber sprechen. Ich musste lange mit den beiden argumentieren und diskutieren, bis ich Anton dazu brachte, sich als Aktivist über die Situation zu äußern.

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Wie habt ihr eure lokalen Guides und Gastgeber eigentlich kennengelernt?

2019 war ich bereits einmal in Sibirien, um am Baikalsee Skitouren zu gehen. Ich konnte es damals nicht lassen, die ganze Reise zu dokumentieren. Grigory Mintsev, dem Organisator und Geschäftsführer von „Skiing in Siberia“, hat mein spontaner Film damals so gefallen, dass er mich wieder einladen wollte, um 2021 ein weiteres Skitouren-Paradies zu dokumentieren. Über Grigory habe ich Anton und dessen verrückte Geschichte kennengelernt. Die Zusammenarbeit war super, da Anton offen und kooperativ war und außerdem sehr gut Englisch spricht und sich sehr gut ausdrücken kann.

Anton erzählt in „Luzhba“ abenteuerliche Geschichten aus seiner Jugend – wie waren dazu im Vergleich deine eigenen Anfänge? Kann man deine Story mit seiner vergleichen? Und wieso können sich Menschen über alle sprachlichen, kulturellen und Generationen-Grenzen so gut verstehen?

Was ich erstaunlich finde: wie ähnlich Leidenschaften sein können, obwohl man tausende Kilometer entfernt gelebt hat. Wir wollen Spaß haben und unberührte Landschaften entdecken. Skifahren scheint das perfekte Mittel dafür zu sein. Das haben Anton und seine Freunde auch gedacht. Der Unterschied ist allerdings, dass wir sehr solide Infrastrukturen hatten, um uns Schritt für Schritt heranzutasten. Anton und seine Freunde hatten nichts – und trotzdem haben sie die Motivation und Möglichkeiten gefunden, ihre Leidenschaft auszuleben.

Local Hero Anton Lementuev erzählt aus seinem Leben.

Wie groß war der Schock, als der Krieg in der Ukraine begonnen hat? Wie sehr hat es dich selbst betroffen, weil du doch ein ganz anderes Russland – oder zumindest ganz andere, freundliche, weltoffene Russen – kennengelernt hast?

Als der Krieg losgegangen ist, dachte ich anfangs, dass ich meinen Film eigentlich wegschmeißen kann. Das meinten übrigens auch fast alle meine Freunde. Anderseits denke ich mir, dass der Film gerade wegen des Krieges eventuell viel relevanter werden könnte; es wird wohl so schnell keine Skifilme mehr aus Sibirien geben. Ich musste nur einen Weg finden, wie ich den Krieg mit dem Rest des Abenteuers verbinden konnte – und das gelingt durch das abschließende Interview mit Anton.

Ist „Luzhba“ letztendlich aus deiner Sicht noch ein unterhaltsamer Film? Oder willst du etwas anderes damit erreichen?

Ich will mit dem Film vor allem eines zeigen: Egal, wie unsere Umstände sind – wir müssen immer um unsere eigene Realität, unsere Ideen kämpfen. Auch, wenn die ganze Gesellschaft um uns herum uns dabei nicht unterstützt, wie es bei Anton der Fall war. Und wir müssen akzeptieren, dass von einem Tag auf den anderen alles anders sein kann …

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