Gabriel Indrist in Purity
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27.10.2023

Gabriel Indrist: „In den Bergen spiel‘ ich meistens nur die Nebenrolle“

„Purity – A Snowmads Meditation on the Art of Experiencing Nature”, der neue Film der Snowmads-Crew (produziert von Karin Lechners NINE&ONE), zeigt Freeriden von seiner ruhigen, ja fast schon demütigen Seite. Snowboarder Gabriel Indrist hatte nicht nur Idee zu dieser Produktion, sondern erzählt uns im folgenden Interview auch, was er in den Bergen sucht und findet – und was der schwere Unfall von Snowmads-Gründer Fabian Lentsch mit dieser wortlosen Ode an die Natur zu tun hat.

Ja, „Purity“ ist ein ruhiger, kontemplativer Film. Das heißt nicht, dass Gabriel Indrist nicht auch sportlich richtig abliefert.

Gabriel, was war dein Antrieb, deine Idee, und vielleicht auch deine Vision zu ,,Purity“?

Gabriel Indrist: Die Vision und Idee waren, einen Film übers Freeriden in den Tiroler Alpen zu machen. Ich bin hier aufgewachsen und wollte zeigen, dass man – gerade als Alpenbewohner – nicht unbedingt weit reisen muss, um beeindruckende Lines und Berge zu finden und zu fahren.

Du warst von Anfang an die treibende Kraft hinter diesem Film. Warum hast du Luki Schäfer als Regisseur an Bord geholt?

Ja, die Idee zum Projekt kam von mir. Luki und ich haben uns vor einiger Zeit auf einem Snowmads-Trip in der Türkei kennengelernt. Er war als Filmer dabei und wir haben uns auf Anhieb supergut verstanden! Aus dieser gemeinsamen Zeit in der Türkei wusste ich, dass wir ganz ähnlich empfinden, wenn wir in den Bergen unterwegs sind und uns dabei dieselben Dinge wichtig sind.

Wie war die Zusammenarbeit?

Luki ist ein Ausnahme-Naturfilmer, sein Antrieb ist es, die pure und ungekünstelte Schönheit der Natur festzuhalten und auf die Leinwand zu bringen. Für mich persönlich ist es ähnlich. Ich wollte mit „Purity“ die Schönheit unserer heimischen Berge und der faszinierenden Lines zeigen. Die Zusammenarbeit war super! Wenn man gemeinsame Vorstellungen hat, arbeitet es sich aber meistens sehr gut miteinander.

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In „Purity“ spielt die Natur die Hauptrolle – wie schwer war es für dich als Athlet, dich mit einer ,,Nebenrolle“ zu begnügen?

Um ehrlich zu sein: Ich fühle mich, vor allem in den großen Bergen, ohnehin meistens in einer „Nebenrolle“. Da sind einfach Kräfte im Spiel, die weitaus stärker sind als man selbst. Ich schätze mich deshalb mehr als glücklich, in so einer mächtigen Umgebung überhaupt eine Rolle spielen zu dürfen und mit meinem Snowboard Lines in den Powder zu zeichnen.

Was suchst und findest du persönlich da draußen in der Natur ganz allgemein und beim Freeriden speziell?

Ich suche, ähnlich wie Luki, die Verbindung mit der Natur. Nach einem Tag in den Bergen fühle ich mich meistens anders als vorher: Wir beide versuchen oft, die Ruhe und Schönheit, manchmal auch die Wildheit in der Natur und in den Bergen richtig aufzusaugen und dann, wieder zurück im Tal, den Menschen davon zu erzählen. Und zwar mit Fotos und Filmaufnahmen. Das Freeriden selbst ist einfach seit meiner Kindheit meine große Leidenschaft.

Die Ruhe, die Schönheit, die Wildheit, die Kraft: Gabriel Indrist genießt die pure Natur

Du bist Teil der „Snowmads“-Crew, die von Fabian Lentsch gegründet wurde. Fabi hat sich 2022 bei einem Unfall beim Paragliden im Himalaya schwere Verletzungen am Rückenmark zugezogen. Wie sehr hat dich sein Unfall, sein Schicksal auch persönlich betroffen und zum Nachdenken gebracht?

Ich kannte Fabi zuerst nur vom Sehen, für uns beide ist Innsbruck ja die Homebase. Richtig kennengelernt haben wir uns 2019 auf einer achtwöchigen Reise in seinem Truck in Richtung Iran. Das war damals die Anreise zu Fabis neun Monaten im Iran, wo seine Doku „A Foreign Native“ entstanden ist. Es waren Plätze im Truck frei und Fabi hat Konsti Ottner und mich einfach gefragt, ob wir mitkommen wollen. Wahrscheinlich wusste er da schon, dass wir da nicht nein sagen würden … (lacht)

Fabis Unfall war natürlich ein riesiger Schock für uns alle. Ich glaube, es wurde uns allen bewusst, wie glücklich wir uns schätzen können, überhaupt die Möglichkeit zu haben, in den Bergen unterwegs zu sein. Für Fabi waren ja nach dem Unfall die Berge für einige Monate unerreichbar, er wechselte nur noch zwischen Krankenhausbett und OP-Saal hin und her. Am Anfang war es sehr hart für mich, Fabi mit seinen damals noch gelähmten Beinen in den Krankenhäusern liegen zu sehen. Gleichzeitig war es aber auch wunderschön zu sehen, dass er die ganze Zeit nie seinen Optimismus und sein Lachen verloren hat. Mittlerweile waren wir sogar schon wieder gemeinsam am Berg! Fabi mit Krücken und im Vergleich zu seiner Zeit vor dem Unfall natürlich viel langsamer und unter großer Anstrengung – aber allein die Tatsache, dass er aus eigener Kraft und ohne Rollstuhl wieder Schritt für Schritt bergauf kommt, ist gewaltig und inspirierend!

Ist ,,Purity“ mit seiner ruhigen, nachdenklichen Stimmung ein Weg für euch, mit der Situation um Fabians Unfall umzugehen?

Ja, vielleicht. Sobald es möglich war, sind wir mit Fabi und seinem Rollstuhl raus aus den Krankenhäusern und sind einfach zusammen in einem Park, unter Bäumen oder am Fluss gesessen. Wir haben eigentlich nichts anderes gemacht, als die Ruhe und die Natur zu genießen. Ohne Plan, ohne Projekt, ohne Mission. Zu sehen, wie gut ihm die Zeit in der Natur immer getan hat, hat auch uns wieder an die Essenz vom Draußensein erinnert. Manchmal geht‘s einfach drum, die Natur mit ihrer Ruhe zu genießen. Aber versteh mich nicht falsch: Manchmal geht es da draußen natürlich auch richtig wild zu!

Zum Schluss: Was macht eigentlich die Philosophie der Snowmads aus? Was verbindet euch? Was treibt euch an?

Ich glaube, in der Essenz ist es die Freude am Leben. Wir sind alle unglaublich gern draußen unterwegs, das verbindet uns mit der Natur und auch untereinander. Was wir dabei erleben und erlebt haben, davon möchten wir anderen Menschen erzählen – sei es jetzt von der Begegnung mit einem Tanbourmeister im Iran oder eben der Sonnenaufgang am Gipfel eines Berges. Es sind Geschichten von wunderschönen Landschaften, von Freundschaft, vom Miteinander. Es geht auch immer darum, sich gegenseitig zu helfen und gemeinsam Abenteuer erleben. Der Antrieb dazu kommt fast von selbst: Es gibt so unendlich viele wunderschöne Plätze zu entdecken, so viel zu erleben und anzuschauen. Und so viele Geschichten zu erzählen! Es ist eine Lebensaufgabe!

Gabriel Indrist: www.instagram.com/gabrielindrist/
Snowmads: www.snowmads.world / www.instagram.com/snowmads
Lukas Schäfer: www.lukischaefer.com / www.instagram.com/luki.schaefer/
Konsti Ottner: www.instagram.com/konsti_ottner
NINE&ONE: nineandone.com / www.instagram.com/nineandone/

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