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24.09.2022

„Die Leidenschaft kommt zurück. Aber mit mehr Weisheit, mit größerer Ruhe.“

Mit „Invisible Ground“ arbeiten Xavier De Le Rue und Elias Elhardt ihr Gefühl der Verantwortungslosigkeit nach tragischen Lawinenunglücken auf. In Teil 1 unserer Interviewserie erzählt der französische Snowboarder Xavier De Le Rue, wie schmerzhaft es war, vor der Kamera so offen zu sprechen, wie zweischneidig die Rolle als Vorbild ist und warum sich die nächste Generation besser in die Welt der Risiken hinein entwickeln kann.

Xavier de Le Rue zeigt sich nachdenklich

Du und Elias Elhardt, ihr kennt euch schon sehr lang – wie wichtig war das gegenseitige Vertrauen, um einen so persönlichen Film produzieren zu können?

Xavier De Le Rue: Wir sind uns seit Anfang der 2000er-Jahre immer wieder über den Weg gelaufen, vor allem bei Events, aber auch bei Shootings, weil wir gemeinsame Sponsoren hatten. Aber wir waren zuvor nie gemeinsam auf einem richtigen Trip.

Wie seid ihr das Projekt herangegangen? Habt ihr euch vor den Dreharbeiten intensiv ausgetauscht oder habt ihr euch erst während der Dreharbeiten zu „Invisible Ground“ vor der Kamera und dem Mikrofon geöffnet?

Die Idee zu dem Film entstand aus einigen Diskussionen, als wir in Island bei einem Dreh für einen gemeinsamen Sponsor waren. Wir haben beide diese tragischen Erlebnisse gehabt, die uns dazu brachten, die Risiken des Freeridens allgemein zu diskutieren. Wir waren uns bei diesem Thema ziemlich einig und es wurde klar, dass wir diese Diskussionen weitertragen mussten. Und Elias dachte ohnehin darüber nach, einen Film zu drehen. Wir hatten also bereits über das Thema diskutiert, sind durch die verschiedenen Interviews im Film aber noch viel tiefer in die Materie eingetaucht.

Wie viel Mühe hat es gekostet, so unverblümt über solch sensible Themen zu sprechen?

Es ist wirklich schmerzhaft, diese tragischen Unfälle wieder ins Bewusstsein zu bringen. Aber gleichzeitig ist es wichtig für uns, darüber zu sprechen. Nicht nur um zu trauern, sondern auch, um diesen Unfällen einen Sinn zu geben, indem wir andere Rider über die Realität der Folgen des Freeridens aufklären.

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„Invisible Ground“ handelt unter anderem von der Verantwortung, die man als Vorbild trägt. War dir das Ausmaß dieser Verantwortung vor Beginn der Produktion schon bewusst oder hat dich der Film dazu gebracht, darüber nachzudenken?

Eine der klaren Zweideutigkeiten unserer Karriere, die aus diesen Diskussionen hervorging, betraf die Tatsache, dass wir die Leute dazu gebracht haben, von all diesen verrückten Lines zu träumen. Gleichzeitig haben wir die Verantwortung, so viel wie möglich von jener Realität zu vermitteln, was passiert, wenn die Dinge in den Bergen schief gehen, und wie plötzlich das geschieht.

Wen wollt ihr mit „Invisible Ground“ erreichen? Die Profis, die Vorbilder sind (oder zumindest sein könnten), oder eher die nächste Generation, die Ihnen nacheifert?

Ich denke, mein Ziel ist es, jüngere Freerider anzusprechen, die sich voll und ganz auf diesen Sport einlassen wollen. Sie müssen sich bewusst machen, dass Freeriden auch eine dunkle Seite hat, die eine angemessene Herangehensweise erfordert.

Haben deine tragischen Erfahrungen etwas an der grundsätzlichen Freude am Freeriden geändert?

Eine Zeit lang hat es mir viel von der Leidenschaft genommen. Auf lange Sicht ist diese Leidenschaft wohl immer wieder zurückgekommen, aber mit etwas mehr Weisheit, etwas größerer Geduld. Aber es hinterlässt immer einen Fleck, der ziemlich unangenehm ist und der bei dir bleibt und deine Leidenschaft für immer befleckt.

Was braucht es in unseren Köpfen, um das Freeriden sicherer zu machen? Oder kann dieser Sport per se nicht sicher sein? Wie sollten wir am besten mit den verbleibenden Risiken umgehen? Und: Dürfen wir das Risiko genießen?

Ich glaube wirklich, dass Freeriden eine große Lebensschule ist, aber man muss mehr lernen und angeleitet werden, als es am Anfang scheint. Ich glaube, es besteht eine gewisse Kluft zwischen der Leichtigkeit des Zugangs zum Tiefschnee ohne die richtige Erfahrung und den tatsächlichen Möglichkeiten, richtig unterrichtet zu werden. Wenn ich meine ältere Tochter Mila (16) sehe, die mit dem Freeride World Tour Club eine wirklich starke Struktur um sich hat, fühle ich mich ziemlich sicher, was ihr Wissen, ihr Verständnis für die Risiken und die Tatsache angeht, dass sie sich in diese Welt hinein entwickeln wird.

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